Familiengenossenschaften sind aktuell ausgesprochen beliebt – es vergeht kaum eine Woche, dass uns in der Kanzlei nicht ein Anruf erreicht, ob eine Familiengenossenschaft eine mögliche Gesellschaftsform wäre. Aus diesem Grund beleuchten wir in diesem Blog die Hintergründe und gehen auf die Vor- und Nachteile einer Familiengenossenschaft ein.
Betrachten wir zunächst eine ganz normale Genossenschaft. Dies sind ihre wichtigsten Merkmale:
- Rechtsform: Genossenschaften basieren auf dem Genossenschaftsgesetz (GenG). Sie sind juristische Personen des privaten Rechts und müssen eine Satzung haben.
- Gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb: Das zentrale Ziel aller wirtschaftlichen Aktivitäten einer Genossenschaft ist es, die Mitglieder zu fördern. Dies ist ein elementarer Unterschied zu einer normalen Personengesellschaft!
- Mitbestimmung: Die Mitglieder bestimmen die Geschäftspolitik, nicht externe Investoren, wie bei anderen Gesellschaften, denn jedes Mitglied hat eine Stimme und kann somit an Entscheidungen teilnehmen.
- Haftungsbeschränkung: Um das Genossenschaftsvermögen zu schützen, ist die Haftung der Mitglieder begrenzt. In diesem Punkt fungiert eine Genossenschaft wie eine GmbH.
Eine Familiengenossenschaft ist eine Sonderform. Die Mitglieder bestehen in diesem Fall ausschließlich aus Familienmitgliedern bzw. Verwandten.
Vorteile einer Familiengenossenschaft:
- Zusammengehörigkeit: In einer Familiengenossenschaft sind die Mitglieder miteinander verwandt. Dies führt in der Regel zu einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl. Außerdem kennt man sich mit allen Stärken und Schwächen.
- Steuerliche Vorteile: Familiengenossenschaften bieten Vorteile bei der Besteuerung des Unternehmensgewinns und der Ausschüttung an die Mitglieder. Außerdem profitieren sie bei einigen operativen Tätigkeiten von Steuervorteilen. So können z.B. Betriebsausgaben geltend gemacht werden, Rückvergütungen steuerfrei ausgeschüttet werden und steuerfreie Gewinne (bis zu 90%!) erzielt werden.
- Vermögensschutz: Eine Familiengenossenschaft schützt das in ihr gebundene Vermögen. Wenn ein Mitglied auf privater Ebene gegenüber Dritten haftet, bleibt das Genossenschaftsvermögen unberührt.
- Unternehmensnachfolge: Familiengenossenschaften ermöglichen eine reibungslose Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie, denn die ins Auge gefassten Erben werden einfach Mitglied in der Genossenschaft und partizipieren so am Vermögen.
- Geheime Mitgliederliste: Die Mitgliederliste einer Familiengenossenschaft muss nicht veröffentlicht werden.
- Kein Mindestkapital erforderlich: Für die Gründung einer Familiengenossenschaft wird kein Mindestkapital benötigt.
- Kein Notarvertrag erforderlich. Eine Genossenschaft muss zwar eine schriftliche Satzung haben, diese muss jedoch nicht notariell beglaubigt werden.
Nachteile einer Familiengenossenschaft:
- Interne Konflikte: Die familiäre Bindung kann genauso gut ein Nachteil wie ein Vorteil sind. In Familien wird heftiger gestritten und private Fehden können mit in die Genossenschaft getragen werden, so dass es zu Spannungen und Konflikten kommen kann.
- Begrenzter Mitgliederkreis: Eine Erweiterung der Familiengenossenschaft ist nicht möglich, denn die Mitgliederbasis ist ausschließlich auf die Familie beschränkt. Dabei liegt es im Ermessen der Genossenschaft selbst, welche Verwandtschaftsgrade sie akzeptiert. So können z.B. Schwager und Schwägerin aber auch Cousinen und Cousins zweiten Grades akzeptiert werden. Eigentlich wurde die Familiengenossenschaft aber für die engste Familie konzipiert, d.h., Großeltern, Eltern und Kinder.
- Zweckverfehlung: Eine Missachtung des genossenschaftlichen Zwecks (d.h. die Mitgliederförderung) kann zur Auflösung führen. Die Mitgliederförderung muss daher immer im Vordergrund stehen, nicht die Kapitalmehrung oder die Erzielung einer hohen Rendite. Hier sind einige Beispiele, wie dies in einer Familiengenossenschaft umgesetzt werden kann:
A.
Gemeinschaftliche Geschäftstätigkeit: Die Genossenschaft betreibt gemeinsam wirtschaftliche Aktivitäten, um die Mitglieder zu unterstützen. Dazu gehört z.B. der Verkauf von Dienstleistungen oder Produkten, die von Familienmitgliedern erbracht bzw. hergestellt werden.
B.
Förderung von Familienmitgliedern: Die Genossenschaft kann spezielle Programme zur Unterstützung von Familienmitgliedern anbieten. Bildungsförderung, Bildungsreisen, Schulungen, Mentoring zu diversen Themen sowie finanzielle Unterstützungen fallen in diesen Bereich.
C.
Gemeinsame Ressourcennutzung: Die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen, Maschinen, Fahrzeuge oder Lagerflächen ist möglich, senkt Kosten und steigert die effiziente Auslastung.
Der häufigste Grund für die Gründung einer Familiengenossenschaft ist der Wunsch nach Steuerreduzierung, weil die Genossenschaft in bestimmten Fällen nur 10% ihrer Einnahmen versteuern muss. Zusätzlich möchten die Genossenschaftsmitglieder private Lebenshaltungskosten, die nicht absatzfähig sind, in eine Betriebsausgabe verwandeln.
Fazit
Während wir immer auf der Suche nach Möglichkeiten sind, für unsere Kunden die Steuerlast zu senken und dabei jeglichen rechtlich einwandfreien Spielraum ausnutzen, ist die Familiengenossenschaft ein heißes Eisen.
Die Gründungen von Genossenschaften (z.B. Einkaufsgenossenschaften, Genossenschaften im landwirtschaftlichen Bereich oder im Immobilienbereich) dienten immer dem Allgemeinwohl. Bei einer Familiengenossenschaft ist diese Bedingung nicht unbedingt erfüllt, denn die Unterstützung einzelner (begüterter) Familien war nie Sinn & Zweck des Genossenschaftrechtes.
Wir erwarten daher, dass die sehr großzügig ausgelegte Interpretation zurückgenommen wird und empfehlen unseren Kunden daher, sich eine Umstellung gut zu überlegen.
Vorsicht ist ganz besonders deshalb geboten, weil die Änderung aller Voraussicht nach nicht als »Gesetzesänderung« deklariert wird, sondern als »Klarstellung«. Eine Änderung wirkt sich auf die Zukunft aus. Eine Klarstellung hingehend greift rückwirkend, da die Argumentation lautet, dass das Gesetz immer schon so gemeint war und nun nur noch ein Detail klargestellt wird. Im Falle einer Klarstellung werden die Gelder nachträglich zurückgefordert. Falls die gelebte Praxis sogar als Gestaltungsmissbrauch eingestuft wird, kann die Familiengenossenschaft auch als versuchte Steuerhinterziehung interpretiert werden.
Gern analysieren wir Ihre spezielle Situation und empfehlen Ihnen den besten Weg, um Ihre Familie steuerlich und gesellschaftsrechtlich abzusichern. Sprechen Sie uns einfach direkt an!
Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht
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