Verbraucherrecht: Wenn sich das Gesetz auf die Seite der Unternehmer stellt

Veröffentlicht am: 18. August 2015 von: Robin Schulz
Kategorie(n): Allgemein, Blog

Nicht jede Novellierung im Verbraucherrecht ergeht im Sinne des Kunden. So fanden mit der Har-monisierung des Fernabsatz-Widerrufsrechts im Sommer 2014 unternehmerisch-wirtschaftliche Bedenken Gehör: Nach dem Gesetz trägt jetzt grundsätzlich der Kunde die Kosten für die Retour. Umso überraschender die Reaktionen der deutschen Webshops.
Die Gesetzeslage in Kürze: Die Gesetzesänderung (u.a. von § 357 BGB) im Juni 2014 hatte den Weg-fall der Warenwertgrenze zur Folge. Online-Händler sind nun nicht mehr in der Pflicht Waren über 40 EUR auf eigene Kosten zu retournieren. Fortan trägt grundsätzlich der Kunde bei Nichtgefallen die Kosten des Rückversandes, wenn nicht zuvor der Shop-Betreiber die Kostenübernahme erklärt, bzw. die Aufklärung über die Kundenpflichten im Widerrufsfall versäumt hat. Zudem bedarf es der ausdrücklichen Erklärung – schlichtes Zurücksenden der Bestellung muss der Unternehmer nicht mehr als Widerruf deuten.

Kompromisslos kulant

Wie gehabt trägt der Versandhändler die Rücksendekosten, sofern es sich um falsche, fehlerhafte oder beschädigte Ware handelt. Wie sich aus einer Befragung des unabhängigen Verbraucherportals Vergleich.org ergab, verfolgen darüber hinaus 76 deutsche Internet-Versandhäuser den hehren Service-Gedanken: Sie setzen auf Kundenzufriedenheit und tragen die Rücksendekosten bei Widerruf. Auffällig dabei ist, dass vor allem namhafte eCommerce-Experten wie Zalando und Asos sowie Retail-Riesen wie Lidl und Media Markt an dieser Stelle in Kundenbindung investieren.
Dennoch wird etwas Initiative vom Kunden vorausgesetzt: Im Zuge der Gesetzesänderung ist der Verbraucher verpflichtet den Widerruf deutlich zu erklären. Meist haben Versender auch hier die Bequemlichkeit der Käufer im Blick und stellen entsprechende Vordrucke, Telefon- und E-Mail-Service bereit.

Unablässig unternehmerisch

Demgegenüber zeigen sich u.a. die markterfahrenen Unternehmen IKEA und Thalia keineswegs großzügig: Wie es das Gesetz nun ermöglicht, wird der Kunde stets zur Kasse gebeten. Es sind also nicht notwendig nur die kleineren Shops, die sich das Retourprozedere nicht leisten möchten.
Weniger drastisch halten es 11 % der befragten Händler und legen nach wie vor das 40 EUR Maß an – darunter auch Versandriese Amazon. Das Unternehmen stellt einen Rücksendekostenanteil in Höhe von 3,50 EUR in Rechnung, der erst bei Waren über 40 EUR oder Fashion-Artikeln entfällt. Vereinzelt sind Nutzer mit hoher Retourquote sogar schon vom Web-Warenhaus mit einer Accountsperre abgestraft worden.
Nicht zuletzt gibt es Anbieter, welche den Rückversand einer Bestellung nur bei kompletter Retour aller in ihr enthaltenen Artikel tragen – darunter auch der Sportartikelversender Sportscheck.
Ausblick

Ihrem Zweck nach ist die Normierung durchaus geeignet Versandhändler kostenmäßig zu entlasten. In der Realität sieht es dennoch anders aus: Der unentschlossene Impulskäufer wird komplizierte oder ungünstige Retour-Klauseln meiden und unter den verbleibenden 76 service-orientierten Shops gewiss fündig.

Der sich daraus ergebende, erhöhte Wettbewerbsdruck kann also auch gut ein Jahr nach der Gesetzesanpassung noch dazu führen, dass der ein oder andere bis dato kostenbewusste Unternehmer seine Widerrufsbestimmungen zugunsten der Kundschaft überdenkt.

Der Vollständigkeit halber möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass im Rahmen der Shop-Umfrage sämtliche Informationen durch die Unternehmen selbst zur Verfügung gestellt, bzw. anhand ihrer AGB zusammengetragen worden sind. Für die Aktualität der jeweiligen Daten bieten wir keine Ge-währ.

Über den Autor:

Robin Schulz ist Redakteur beim Verbraucherportal Vergleich.org, das sich auf umfassende Kaufberatung für Produkte sowie Dienstleistungen des täglichen Bedarfs spezialisiert hat. Kostenlose Ratgeber und Vergleichstabellen helfen Lesern, kleine und große Kaufentscheidungen richtig zu treffen. Damit erreicht das Team aus erfahrenen Journalisten monatlich über 1.350.000 Konsumenten (Stand: Juni 2015). Herausgeber von Vergleich.org ist die VGL Verlagsgesellschaft mit Sitz in Berlin.

Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht

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