Mehrstimmrecht muss sachlich gerechtfertigt sein und berechtigte Interessen der Anlagegesellschafter nicht unangemessen beeinträchtigen
Im Beschluss des OLG Karlsruhe vom 29.07.2014 – 4 U 24/14 hatte sich das Gericht mit der Frage der Zulässigkeit von Mehrstimmrechten zu befassen.
Was war geschehen?
Eine Komplementärin einer KG, welche nicht an dem Kapital der Gesellschaft beteiligt ist, hat ein Mehrstimmrecht, wodurch sie 16,66 % Stimmgewicht in der Gesellschafterversammlung besitzt. Dies hält der Kläger, welcher Kommanditist einer Publikums-KG mit 160 Kommanditisten ist, für unzulässig. Ein so zustande gekommener Gesellschafterbeschluss sei unwirksam. Dieser Ansicht folgte das Landgericht.
Die Entscheidung des Gerichtes
Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, welche Erfolg hatte. Das Mehrstimmrecht der Komplementärin ist zulässig.
Es stehen dem Mehrstimmrecht eines Gesellschafters, der nicht am Gesellschaftskapital beteiligt ist, die allgemeinen Grundsätze des Gesellschaftsrechts nicht entgegen. Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft muss dennoch die Anforderungen des § 242 BGB erfüllen. Die Klausel muss die einseitigen Belange bestimmter Gesellschafter ausreichend sachlich rechtfertigen und darf die berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter nicht unangemessen und unbillig beeinträchtigen. Sonst ist die Klausel unwirksam.
Bei dem Mehrstimmrecht der Komplementärin liegt eine derartige sachliche Rechtfertigung vor. Die Initiatoren der Gesellschaft, welche dem Zweck und der Konzeption der Unternehmung näher als die Mehrzahl der rein kapitalistisch orientierten Kommanditisten stehen, gründeten die Komplementärin. Es ist für die kontinuierliche Unternehmensführung und aufgrund der gemeinsamen Interessenausrichtung aller Gesellschafter sachlich gerechtfertigt, dass die Komplementärin Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beeinflussen kann. Zumal bei einem Stimmgewicht von 16,66 % noch keine unangemessene oder unbillige Beeinflussung durch die Komplementärin gegeben ist. Schließlich können die Kommanditisten noch eine Entscheidung mit einer qualifizierten Mehrheit von 75 % treffen.
Praxistipp vom Fachanwalt
Das Stimmrecht der Gesellschafter einer KG bezieht sich in der Regel auf die Höhe ihrer Kapitaleinlagen. Es können jedoch Anpassungen vorgenommen werden.
Es können sogar ohne Kapitalbeteiligung Stimmrechte eingeräumt werden, da die Stimmrechte von der Vertragsfreiheit erfasst sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Gesellschaftsvertrag nur mit Mehrheitsbeschluss geändert werden kann und nicht das Einstimmigkeitsprinzip gilt, da sonst das ungleiche Stimmrecht eine sittenwidrige Abhängigkeit der übrigen Gesellschafter begründet.
Bei Publikumsgesellschaften liegt noch eine weitere Beschränkung durch die gerichtliche Inhaltskontrolle des § 242 BGB vor. Somit muss das Mehrstimmrecht sachlich gerechtfertigt sein und berechtigte Interessen der Anlagegesellschafter nicht unangemessen und unbillig beeinträchtigen. Sonst ist ein Mehrstimmrecht unwirksam.
Bei einem Stimmgewicht von 16,66 % liegt noch keine unangemessene und unbillige Beeinträchtigung vor, da die Komplementärin keine Sperrminorität erlangt hat. Es ist noch immer ein qualifizierter Beschluss durch die Kommanditisten möglich.
Diese Entscheidung schafft Rechtssicherheit. Schließlich ist ein Mehrstimmrecht für eine Kommanditistin nur unzulässig, wenn es zu einer Sperrminorität führt. Dabei muss die Rechtsstellung der übrigen Gesellschafter berücksichtigt werden. Sobald eine Vereitelung der Einflussnahme der Anlagengesellschafter in Betracht kommt, wird das Mehrstimmrecht und die Sperrminorität unzulässig.
Auch diese Entscheidung zeigt einmal mehr die Wichtigkeit von gesellschaftsvertraglichen Regelungen auf – es besteht in jeder Hinsicht Gestaltungsspielraum, der genutzt werden sollte.
Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht
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