Klage gegen Geschäftsführer ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Eröffnungsstaat möglich
Der Europäische Gerichtshof, kurz EuGH, musste sich im Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 mit der Frage der internationalen Zuständigkeit von Klagen eines Insolvenzverwalters befassen.
Was war geschehen?
Der Insolvenzverwalter, der über das Vermögen einer deutschen GmbH bestellt wurde, verklagt deren Geschäftsführer, welcher allerdings in der Schweiz wohnt, vor dem Landgericht Darmstadt gemäß § 64 S. 1 und 2 GmbHG.
Der Beklagte hat Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung der Schuldnerin veranlasst. Da der Geschäftsführer nicht in Deutschland wohnt, müsste dieser normalerweise im Ausland, hier in der Schweiz, verklagt werden.
Der Insolvenzverwalter im entschiedenen Fall reichte die Klage jedoch in Deutschland beim Landgericht Darmstadt ein. Das LG Darmstadt wiederum legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung bezüglich der Auslegung der VO (EG) Nr. 1346/2000 und des Lugano Übereinkommens vom 30.10.2007 vor – und damit die Frage, ob in derartigen Fällen eine Klage in Deutschland eingereicht werden kann.
Die Entscheidung des Gerichtes
Das Gericht bejahte die Zuständigkeit der deutschen Gerichte – Sofern die Klage im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter eingereicht wird, ist Art. 3 I VO (EG) Nr. 1346/2000 anwendbar.
Der EuGH bezieht sich hier auf die Überlegungen bezüglich der Rs. Seagon und der Rs. F-Tex, weil die streitgegenständlichen Klagen mit der Insolvenzanfechtungsklage vergleichbar sind. Solange keine Abtretung der Insolvenzanfechtungsansprüche durch den Insolvenzverwalter an einen Dritten erfolgte, ist Art. 3 I VO (EG) Nr. 1346/2000 anwendbar.
Die Klage geht unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervor und steht in enger Beziehung mit ihr. Auch wenn der beklagte Geschäftsführer seinen Wohnsitz nicht in der Europäischen Union hat, hält der EuGH dennoch Art. 3 I VO (EG) Nr. 1346/2000 für anwendbar.
Dies führt dazu, dass die Gerichte des Eröffnungsstaates für die Klagen dann ebenfalls international zuständig sind.
Praxistipp vom Insolvenzverwalter
Diese Entscheidung zeigt, dass Einzelfälle berücksichtigt werden müssen. Es gibt für die Frage der internationalen Zuständigkeit für die Gerichte in Bezug auf Ansprüche nach § 64 GmbHG keine alles umfassende Antwort.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer im Eröffnungsstaat verklagen.
Fehlt jedoch die Masse, sodass ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird, besteht für die Gläubiger die Möglichkeit Ansprüche aus § 64 GmbHG im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu pfänden oder sich diese zur Einziehung überweisen zu lassen.
Da diese Klagen nicht von dem Insolvenzverfahren erfasst werden, richtet sich die Zuständigkeit nach der VO (EU) Nr. 1215/2012. Dies ist ebenfalls so zu beurteilen, wenn eine Abtretung der Ansprüche gemäß § 64 GmbHG durch den Insolvenzverwalter erfolgte.
Für (ehemalige) Geschäftsführer heißt das, dass auch eine „Flucht“ ins Ausland nicht vor einer Forderung des Insolvenzverwalters schützt.
Allerdings bieten sich hier Chancen der Verteidigung für den Geschäftsführer.
Aber auch für Gläubiger bieten sich Chancen, wenn diese die Ansprüche aus § 64 GmbHG geltendmachen.
Eines ist an dieser Stelle sicher – eine fachkundige Beratung ist zwingend erforderlich.
Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht
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