Grenzüberschreitende Mobilität von Kapitalgesellschaften

Veröffentlicht am: 20. März 2009 von: Sandro Dittmann
Kategorie(n): Unternehmensrecht

Neben den bereits mehrfach ausgeführten Änderungen im GmbH-Recht durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts (MoMiG) gibt es auch eine wenig beachtete Änderung, die für die Praxis jedoch erhebliche Bedeutung hat. Sowohl das Aktiengesetz als auch das GmbH-Gesetz erlauben nunmehr die Verlegung destatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland. Bisher konnte eine Gesellschaft ihren Satzungssitz nicht frei bestimmen. Es konnte allein der Ort als Satzungssitz gewählt werden, an der die Gesellschaft ihren Betrieb, ihre Geschäftsleitung oder ihre Verwaltung hat.

Im Gegensatz hierzu war es EU-Auslandsgesellschaften nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgrund der Niederlassungsfreiheit gestattet, ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland zu verlegen, ohne ihre ausländische Rechtsform aufgeben zu müssen.

Dies stellte einen klaren Wettbewerbsvorteil für EU-Auslandsgesellschaften dar.

Der deutsche Gesetzgeber hat nunmehr reagiert – bevor eine Entscheidung des EuGH ihm zuvor gekommen wäre. Mit Inkrafttreten des MoMiG wurde für deutsche Gesellschaften die zwingende Verknüpfung von inländischem Satzungs- und tatsächlichem Verwaltungssitz aufgegeben.Zwar muss auch nach der neuen Gesetzeslage die Gesellschaft ihren Satzungssitz in Deutschland führen – die tatsächliche Verwaltung kann aber nunmehr im Ausland stattfinden.

Flankiert wird diese Gesetzesänderung von einem Referentenentwurf zur Regelung des internationalen Gesellschaftsrechts. Danach wird sich künftig das auf eine Gesellschaft anwendbare Recht sowohl für inländische als auch für ausländische Gesellschaften nach dem Recht des Staates richten, in dem sie in einem öffentlichen Register eingetragen sind, oder – falls sie nicht in einem öffentlichen Register eingetragen sind – nach dem Recht des Staates, nach dem sie nach außen erkennbar organisiert sind (Art. 10 EGBGB n.F.). Auf den tatsächlichen Verwaltungssitz, den die Rechtsprechung bislang als maßgeblich für die Bestimmung des anwendbaren Rechts gehalten hatte, wird es danach nicht mehr ankommen. Bis zum Inkrafttreten dieser neuen Regelung des internationalen Gesellschaftsrechts ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass ein deutsches Gericht bei der Sitzverlegung in einen Staat außerhalb der EU oder des EWR-Raums die von der Rechtsprechung entwickelte Sitztheorie weiterhin für maßgeblich hält und eine solche Sitzverlegung für unzulässig erachtet, wenn das ausländische internationale Privatrecht nicht auf das deutsche Recht zurückverweist.

Aber: Auch wenn gesellschaftsrechtlich eine Liberalisierung eingetreten ist, verbleibt es steuerlich bei den bekannten restriktiven Regelungen:
Fallen Satzungssitz (Deutschland) und tatsächlicher Verwaltungssitz (Ausland) auseinander, kann dies komplexe Fragen der Doppelbesteuerung für die Gesellschaft auslösen.
Wird der tatsächliche Verwaltungssitz einer bereits bestehenden Gesellschaft ins Ausland verlegt, führt dies in Deutschland zur Steuerpflicht eines fiktiven Veräußerungsgewinns. Der Veräußerungsgewinn bezieht sich dabei auf Wirtschaftsgüter der Gesellschaft, die mit der Sitzverlegung steuerlich ins Ausland „wandern“. Dies ist besonders dann problematisch, wenn Beteiligungen bestehen, ein hoher Firmenwert anzusetzen ist oder immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente und Markenrechte gehalten werden.

Fazit: Es besteht nunmehr für deutsche Konzerngesellschaften die Möglichkeit, ihre ausländischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH oder AG zu gründen. Zu beachten sind hierbei allerdings unbedingt die steuerlichen Auswirkungen in den betroffenen Ländern.

Rechtsanwalt Sandro Dittmann
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht

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